In «Mad Men», über 40 Mal ausgezeichnet, darunter drei Golden Globes, wird der Zuschauer in eine untergegangene, fast verwunschene Zeit gelockt. Auch hier passiert eigentlich nichts, keine Action – und zugleich so viel, dass man den Kosmos nicht mehr verlassen möchte. Die Serie macht süchtig. Seelendramatik mit einem feinen Händchen für Stil und Schliff. «Mad Men» spielt Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, der Noch-Nierentisch-Epoche, der Spitztüten-BHs, knitterfreien Plastikhemden, Drei-Wetter-Taft-Frisuren, Glockenröcke, Gabardine-Anzüge. Es war die Zeit, in der die Frauen Freiwild waren, die Männer Gockel und die Gattinnen Legehennen. Es war die Zeit, in der unentwegt gequalmt und gesoffen wurde. Feminismus und sexuelle Revolution waren noch weit weg. Man gab sich gesittet und ging fremd. Allein für die akribische Gestaltung der Sets, die bis in die kleinsten Details eine Ära authentisch rekonstruieren, erhielt die Serie zahllose Preise. Damals waren noch nicht die Banker, sondern die Werber «Master of the Universe». «Sterling Cooper» heisst die New Yorker Agentur an der Madison Avenue, in der die Herren der Schöpfung sich auch noch so fühlten, die Sekretärinnen das auch so sahen und die Ehefrauen irgendwie auch, selbst wenn sie betrogen wurden. Don Draper (Jon Hamm) ist der Gentleman der Clique, Gary-Cooper-Typ, lässig, elegant und charmant. Kunden umgarnt er gewieft und geschmeidig; sind sie weiblich, verfallen sie ihm. Er hat eine Frau, zwei Kinder, mehrere Geliebte und eine nicht astreine Vergangenheit. Der Männerklub ist eine Herrenschneider-Prachtparade, ehrgeizig, intrigant, verlogen. Umschwirrt wird sie von scharfen Tippsen. Nur die Sekretärin Peggy (Elizabeth Moss) macht als Einzige Karriere und schafft es in die Kreativ-Abteilung.Es gibt Büroalltag, Kundengespräche, Nächte bei den Geliebten und Lügen bei den Ehefrauen. Und dennoch – und das ist das Geniale an «Mad Men», die Matthew Weiner, Erfinder der «Sopranos», entwickelte – lauert in diesem Gesellschaftszoo, in dem Sexismus und Rassismus zum guten Ton gehörten, ein Abgrund. So nostalgisch die rekonstruierte Epoche erscheinen mag – Ängste sind immer präsent. Ängste vor der Bombe und dem Kommunismus, Ängste vor einem immer konsumptiveren Leben, das die mad men mit ihren unentwegten Heilsversprechungen selbst vorantreiben. Rauchen und Trinken gehören zu den kleinen Glücks-Illusionen. Drapers Chef stürmt mal am Morgen in sein Büro: «Es heisst, dass man Alkoholiker ist, wenn man alleine trinkt. Also komm ich zu dir», und trinkt. Draper müsste auf die Couch eines Psychiaters, schickt aber seine blonde Frau Betty (January Jones) und bespricht ihre Sitzungen heimlich mit dem Psychiater. Die Serie ist so erfolgreich, dass Mattel (Barbie) das «Mad Men»-Personal als Puppen herausbringt! Aber nicht mit Zigaretten! Das Porträt einer Epoche ist Zeitreise und Tiefenschau in einem.

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