Bevšlkerungsdruck
Jahrhundertwende und VorkriegsŠra waren fŸr Europa eine Zeit grosser
Erwartungen - und weitverbreiteten Elends. In den GedenkstŠtten an der Somme
kann der Besucher Geschichten von bitterer Armut lesen und von 15-jŠhrigen
EnglŠndern, die sich freiwillig zum Krieg meldeten, um mit dem Sold die
Geschwister durch den Winter zu bringen. NatŸrlich stŸrzten sich 1914 die
Všlker darum nicht mutwillig in den grossen Krieg. Doch wo Millionen von
Menschen schlecht behaust sind und ohne Perspektive, aufbrechen wollen, ohne zu
wissen wohin, kommen ihnen leicht Vernunft und MŠssigung abhanden. Daran vor
allem fehlte es im August 1914.
Ein
Jahrhundert spŠter kann diese ErklŠrung den Wanderer auf dem ÇRundgang der
ErinnerungÈ an der Somme nicht tršsten, nur erschrecken. Denn kaum drei
Flugstunden sŸdšstlich, auf der anderen Seite des Mittelmeers, versetzt heute
schier unvorstellbarer Bevšlkerungsdruck den gesamten Mittleren Osten und
eigentlich die gesamte islamische Welt in grosse Unruhe. Vor 40 Jahren zŠhlte
€gypten, das bevšlkerungsreichste arabische Land, kaum 30 Millionen Einwohner.
Heute sind es knapp 80, und im Jahr 2050 werden es wohl 130 Millionen sei.
Jeder zweite €gypter ist weniger als 20 Jahre alt. In den PalŠstinensergebieten
betrŠgt die durchschnittliche Geburtenrate sechs Kinder pro Frau. Fast 50
Prozent der Einwohner im Gazastreifen und im Westjordanland sind unter 15 Jahre
alt - Millionen Teenager ohne Arbeit, Ausbildung, Perspektive. Bis zum Jahr
2050 kšnnte die palŠstinensische Bevšlkerung von heute 3,6 auf Ÿber 11
Millionen wachsen. Beispiel Iran: 1943, zur Zeit der Konferenz von Teheran,
hatte die persische Hauptstadt 400 000 Einwohner, heute sind es 12 Millionen.
1970 hatte das Land 30 Millionen Einwohner, heute 68 Millionen. 30 Prozent der
Iraner sind unter 15 Jahre alt. Jedes Jahr stršmen dort 800 000 auf einen
Ÿberforderten Arbeitsmarkt.
Der Bevšlkerungsdruck im Mittleren Osten Ÿbertrifft alles, was Europa je erlebt hat. Und die unterentwickelten LŠnder dort sind ihm wahrscheinlich viel hilfloser ausgesetzt als die EuropŠer vor 100 Jahren. Das Rinnsal der Auswanderung bringt kaum Linderung. Maschinen haben sie nicht zu exportieren. Nur …l, Gas und wenige Agrarprodukte. Es braucht grossen Optimismus zu hoffen, dass heute die islamische Welt mit der tektonischen Wucht ihres Bevšlkerungsdrucks besser, friedlicher zu Rande kommen kann als vor 100 Jahren Europa.